
Ria Rehfuß (Foto: Claus Langer, Wittener Tage für neue Kammermusik)
„Funkytown“ ist nicht nur der Titel eines Disco-Klassikers von Lipps, Inc., sondern auch der Name eines berüchtigten Internetvideos. Es zeigt die brutale Folter durch ein mexikanisches Kartell – begleitet von der Musik des fröhlichen 80er-Hits. Das Originalvideo ist zwar auf Plattformen wie YouTube und TikTok gesperrt, doch es lebt in zahllosen Nacherzählungen und Erklärvideos weiter.
„Gore Videos Explained“: Diese nacherzählten Gewaltvideos sind eine eigene Erzählform, vergleichbar mit True Crime Stories oder Thrillern, und erfreuen sich im Internet großer Beliebtheit. Sie machen Gewalt konsumierbar, indem sie als narrative Filter fungieren: Sie ersparen den Zuschauer*innen die direkte Konfrontation mit konkreten brutalen Bildern und erzeugen stattdessen imaginäre. Die Grausamkeit wird nicht nur vermittelt, sondern in Content, in Unterhaltung überführt.
Take Me to Funkytown ist eine persönliche Auseinandersetzung mit medial vermittelter Gewalt und ihrer Wirkung. Es ist ein Stück über Überforderung, Ohnmacht und Verdrängung, über das nicht hinsehen Wollen, aber auch nicht wegsehen Können. Ich werde selbst zum Filter – um das Gesehene zu verarbeiten, um es zu ertragen und letztlich auch, um es zu vergessen.
Und während ich das Stück schreibe, wird mir klar: Es geht nicht nur um Gewaltvideos. Es geht um das tägliche Doomscrolling, um all die Bilder und Headlines auf meinem Phone und in meinem Kopf. Es geht um die Frage, was Kunst, was Musik hier noch bewirken kann. Ich werde selbst zum Filter. Ich muss schreien. Ich muss weinen. Ich muss tanzen.

Ensemble Musikfabrik, musikalische Leitung: Friederike Scheunchen (Foto: Claus Langer, Wittener Tage für neue Kammermusik)
#FILTER
Ein intermediales Konzert von Ensemble Musikfabrik in Kooperation mit Ensemble Scope konzipiert und kuratiert von Lucia Kilger, Friederike Scheunchen und Clemens K. Thomas
Fr., 02. MAI 2025, 20.00 h
SAALBAU WITTEN
WITTENER TAGE FÜR NEUE KAMMERMUSIK
Kompositionsauftrag der Stadt Witten, finanziert durch die Kunststiftung NRW

Foto: Claus Langer, Wittener Tage für neue Kammermusik